Nachruf auf Thermoselect

Hier der Nachruf aus dem Jahr 2004 von Rolf Wiedenmann
zum fehlgeschlagenen Thermoselect-Projekt:

Thermoselect –

Nachruf auf das Müllwunder

Die Bürgerinitiative „Das bessere Müllkonzept ohne Verbrennung“ und der Bürger­verein Daxlanden kämpften von Beginn an gemeinsam gegen die Müllverbrennungsanlage.

Die Bürgerinitiative, da sie Müllverbrennung generell für unverantwortlich hält, der Bürgerverein vorrangig wegen des Standorts im nahen Rheinhafen.

Ende der Achtzigerjahre begann dieser Kampf. Zuerst gegen eine Rostfeuerungs­anlage (über 16.000 Protest-Unterschriften wurden damals gesammelt), seit 1995 gegen Thermoselect „das Wunder von Verbania“. An dieses Wunder haben wir nie geglaubt. Alle Fakten, in erster Linie die Betriebs­daten der Pilotanlage im Tessin und natürlich die Tatsache, dass es sich nur um eine neue Variante einer Verbrennungs­anlage handelte, sprachen gegen Thermoselect.

Unsere umfangreichen Einwendungen im Genehmigungsverfahren wurden im April 1996 vier Tage lang in der Neureuter Badnerlandhalle erörtert. Das Regierungs­präsidium, das Badenwerk mit seinen Juristen, technische Über­wachungs­­vereine, weitere Gutachter, Dezernats-, Behörden- und Ämtervertreter saßen uns gegenüber, zusammen weit über 100 Personen.

Dass dieses „Gegenüber“ eine fast zwangsläufige Koalition gegen uns Einwender darstellte, kann man an wenigen Zusammenhängen aufzeigen:

Das Regierungspräsidium als Genehmigungsbehörde ist Weisungsempfänger der Landesregierung, die Landesregierung war damals Großaktionärin des Badenwerks, das Badenwerk versorgt die Stadt mit Gas und Strom, zwischen dem Badenwerk und den technischen Überwachungsvereinen gab es personelle Ver­quickungen. Und zu dieser Koalition gesellte sich noch die örtliche Tagespresse („… die BNN haben sich seit langem für die Müllverbrennung entschieden“)

Letztendlich wurde die Thermoselect-Anlage Ende 1996 mit wenigen, aber wichtigen Auflagen genehmigt. Im Januar 1999 sollte der halbjährige Probebetrieb beginnen.

Da wir die Genehmigung für nicht sachgerecht erachteten, klagte ich stellvertretend für alle Betroffenen (im juristischen Sinn Betroffene waren nur ein kleiner Kreis von direkten Anwohnern) vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gegen die Ge­nehmigung. Als Klagegründe führten wir u.a. die nicht ausreichend erprobte Technik und zu große zu erwartende schädliche Emissionen an.

Da das Gericht in solchen Dingen logischerweise keinen eigenen Sachverstand hatte, bediente es sich der Unterstützung von Gutachten. Fatalerweise waren es die gleichen Gutachten, die bereits im Genehmigungsverfahren vorlagen und zur  Genehmigung führten.

Die Klage wurde als nicht substanziell begründet abgewiesen.

Schon für die Zeit des Baus der Anlage und dann während des Probebetriebs lässt sich eine Serie von Störfällen dokumentieren: defekte Kräne, undichte Becken, eine Dampfdruckexplosion, verstopfte Schlackeabflüsse, Schwefelpartikel-Emissionen in die Umgebung, Pumpenausfall, Risse im Müllkanal, immer wieder beschädigte Aus­mauerungen der Reaktoren und immer wieder Emissionsüberschreitungen, d.h. Ver­stöße gegen die Genehmigungsauflagen.

Diese Ereignisse führten immer wieder zu Stilllegungen der Anlage und zu kost­spieligen technischen „Ertüchtigungen“.

Obwohl die Pannen nie aufhörten, erhielt Thermoselect Anfang 2002 die Dauer­betriebs­genehmigung.

Mit dem Vorstandswechsel beim Betreiber (inzwischen EnBW ) setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Anlage technisch nicht zu retten ist und wohl niemals wirtschaftlich arbeiten kann. Am 5. März 2004 wurde folgerichtig beschlossen sie endgültig stillzulegen.

Damit hat das Thermoselect-Verfahren letztendlich nirgendwo zum Erfolg geführt, wenn auch unverbesserliche Thermoselect-Verfechter dies immer wieder suggerieren wollen.

Ein Grund zum Jubel ist das endgültige Scheitern nicht. Über 400 Millionen Euro hat das Karlsruher Thermoselect­-Abenteuer ge­kostet. Zahlen werden dies nicht die Verantwortlichen, sondern die EnBW-Kunden über ihre Gas- und Stromrechnungen. Genehmigungsbehörde und Verwaltungsgericht müssen sich allerdings kritischen Fragen zu ihrer Mitverantwortung an diesem Desaster stellen.

Daxlanden freut sich natürlich, dass es die Anlage los wird. Der Müll wird vermutlich zunächst nach Mannheim zur Ver­brennung geliefert werden, zu Lasten der dortigen Anwohner.

Wir verlangen, dass sich Karlsruhe dazu entschließt, den eigenen Müll in einer orts­nahen Anlage zu entsorgen, aber dies mit einem nachhaltigen, ökologischen Verfahren, d.h. ohne Müllverbrennung.

Rolf Wiedenmann

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